Tauchmedizin
Barotraumen und Druckausgleich
Alle Veränderungen oder Verletzungen durch Druckdifferenzen werden als Barotraumen bezeichnet.
Was bedeutet Druckausgleich beim Tauchen und wie wichtig ist Druckausgleich?
Barotraumen des Mittelohres
Viele Menschen kennen das Phänomen von Druck auf den Ohren beim Fliegen oder bei der Benutzung von Aufzügen in hohen Gebäuden. Durch Schlucken oder Pressen bei zugehaltener Nase verschwindet das oft unangenehme Gefühl. Die Ursache sind Luftdruckänderungen, die Auswirkungen auf das luftgefüllte Mittelohr haben.
Innerhalb der Atmosphäre nimmt der Luftdruck pro 1000 m Höhe um 0,1 bar ab. Also statt 1 bar an der Erdoberfläche herrscht in der Höhe von 1000 m 0,9 bar. Somit herrscht in 1000 m Höhe ohne Druckausgleich weiterhin 1 bar im Mittelohr mit der Folge der Trommelfellverlagerung in den Gehörgang. Da durch die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel die Schallwellen auf das Innenohr übertragen werden, kommt es zu Veränderungen des Hörens und zu Missempfindungen vom gedehnten Trommelfell. Beim Schlucken oder Kauen wird durch Abströmen von Luft vom Mittelohr in den Rachen über einen Verbindungsgang (Ohrtube) dieser Druckunterschied beseitigt. Nun herrscht in der Höhe von 1000 m sowohl in der Umgebung als auch im Mittelohr ein Druck von 0,9 bar und das Trommelfell steht wieder richtig.
Beim Tauchen nimmt aufgrund der 1000 x höheren Dichte von Wasser im Vergleich zu Luft der Druck pro 10 m Tauchtiefe um 1 bar (Wasserdruck oder hydrostatischer Druck) zu. Da nun in der Umgebung von 10 m Tauchtiefe sich zum Luftdruck von 1 bar noch 1 bar Wasserdruck addiert, herrscht dort ein Druck von 2 bar (in 20 m Tauchtiefe herrscht ein Druck von 3 bar).
Da in 10 m Tauchtiefe ohne Druckausgleich im Mittelohr noch der Oberflächendruck von 1 bar herrscht, wird das Trommelfell durch den Druck von 2 bar im Gehörgang stark ins Mittelohr verlagert, was erhebliche Schmerzen bereitet und häufig zum Trommelfellriss führt. Durch Pressen oder Schlucken öffnet sich die Tube Luft dringt von Rachen, in dem auch 2 bar herrscht, ins Mittelohr ein. So ist ein Druckausgleich hergestellt. Bei weiterem Abtauchen muss dieser Vorgang aufgrund des weiter zunehmenden Wasserdrucks häufiger durchgeführt werden. Beim Auftauchen strömt die Luft vom Mittelohr über die Tube bis zum jeweiligen Druckausgleich häufig automatisch wieder in den Rachen ab.
Wichtig ist, darauf zu achten, dass der Gehörgang frei ist, d.H. ohne Stöpsel oder ähnlichem. Ansonsten funktioniert der Druckausgleich nicht, mit der Folge der Verlagerung des Stöpsels tiefer in den Gehörgang beim Abtauchen oder des Trommelfellrisses, falls der Stöpsel zu fest sitzt, Richtung Stöpsel.
Bei Erkältungskrankheiten schwellen häufig die Schleimhäute im Rachen und in der Tube, so dass ein Druckausgleich nur schwer oder gar nicht funktioniert. Daher darf man dann nicht tauchen.
Kommt es beim Ignorieren des mangelhaften Druckausgleichs unter Wasser zum Trommelfellriss lässt der Schmerz meist schlagartig nach und durch das Eindringen von Wasser tritt Schwindel bis zur vollständigen Orientierungslosigkeit auf. Durch eindringende Keime kann es zur Mittelohrentzündung kommen.
Falls aufgrund von Mittelohrentzündungen ein Paukenröhrchen ins Trommelfell eingesetzt wurde und noch vorhanden ist oder ein Riss im Trommelfell besteht, ist man nicht tauchtauglich. Nach Trommelfellverletzungen verbleiben oft Narben, die später das Trommelfell schwächen. Hierbei ist der Druckausgleich häufiger und vorsichtiger durch zuführen.
In diesen Fällen muss zusätzlich zur allgemeinen Tauchtauglichkeitsuntersuchung ein HNO-Arzt aufsucht werden.
Maskenbarotrauma
Auch im luftgefüllten Raum vor den Augen, sprich in der Tauchermaske muss ein Druckausgleich hergestellt werden. Durch Einblasen von Luft in die Maske durch die Nase geschieht dies. Ansonsten wird beim Abtauchen die Maske ans Gesicht gepresst und, was unangenehmer ist, werden die Augen vom ebenfalls angestiegenem Blutdruck in die Maske gedrängt, mit der Folge von Einblutungen in die Bindehäute.
Sowohl für die Herstellung des Druckausgleich im Mittelohr als auch zum Belüften der Tauchermaske ist der Nasenerker in der Maske unerlässlich. Nie soll man mit Schwimmbrillen Abtauchen., da sonst ein Barotrauma der Augen droht.
Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, dass in Trockentaucheranzügen, bei unzureichender Belüftung über den Inflator, durch die zunehmende Druckdifferenz beim Abtauchen gelegentlich blaue Flecken durch Quetschungen der Haut auftreten können. Diese sind harmlos und verschwinden von selbst.
Lungenbarotraumen
werden in Unterdruck- und Überdruckbartraumen unterschieden. Unterdruckbarotraumen können bei Apnoetauchern, die sehr tief tauchen, als Lungenödem auftreten. Theoretisch können Unterdruckbarotraumen auch bei der Benutzung überlanger Schnorchel auftreten. Überdruckbarotraumen sind bei Gerätetauchern gefürchtet. Hierbei kann es bei unzureichender Ausatmung in der Aufstiegsphase/beim Auftauchen durch die sich ausdehnende Luft zu Verletzungen der Lunge kommen. Die Folgen können Pneumothorax, Luftemphysem oder Gasembolie sein. Bei Interesse schlagt die Fachbegriffe im Internet nach.
Barotraumen der Zähne
können durch luftgefüllte Hohlräume unter Plomben in der Abtauchphase zu Schmerzen und in der Auftauchphase zur Sprengung des Zahnes führen.
Diese Ausführungen gelten sowohl fürs Tauchen in Apnoe als auch mit Gerät.
In Tauchkursen sollte die wichtigen Themen Barotrauma und Druckausgleich ausführlich besprochen werden. Bei Beachtung dieser Hinweise und sorgfältiger Durchführung der Tauchgänge passiert nur extrem selten etwas. In meinem Tauchverein mit mehr als 100 Mitgliedern ist in mehr 40 Jahren noch kein gravierender Tauchunfall aufgetreten.
Toi,toi,toi.